Christina Georgina Rossetti

1830 -1894                             Großbritannien

http://www.bruck-grossglockner.at/buergerservice/aktuelles.html

 

 

 

 

In Übersetzungen von

Oswald Köberl

 

 

 

 

Aus: Monna Innominata

 

 

Widmungssonett

 

Sonette sind voll Liebe. Dieser Band
hat viel Sonette. Also werde hier
noch ein Sonett, ein Lied der Liebe - ihr,
in deren Herz das meine Heimat fand:

Der ersten Lieb, der Mutter, der am Knie
ich Liebeslehre lernte ohne Weh,
und der zu dienen reinsten Stolz verlieh;
mein Leitstern ist sie, wo ich komm und geh.

Und so, weil du mich liebst und weil ich dich,
o Mutter, liebe, flocht aus Versen ich
den Kranz, zu krönen deinen lieben Namen.

Dir machen Jahre nicht die Liebe lahmen,
und ihre Segenglut kennt nicht Gebot
von Zeit und Wechsel, Sterblichkeit und Tod.

 

 

2

 

Ich wollt, ich wüßte noch den ersten Tag,
die erste Stunde, die dich zu mir führte.
Wars Licht, wars Dunkelheit, die uns berührte,
wars Sommer oder war es Winter, sag?

So unbemerkt geschah es und entschwand –
zu blind war ich im Angesicht des Traumes,
zu schwach, zu sehn das Knospen meines Baumes,
der keinen Mai seither in Blüte stand.

O käme mein Erinnern an ein Ziel!
Doch dieser Tag der Tage ist verweht,
wie ohne Spur der müde Schnee zergeht.

Es schien so wenig und wog doch so viel!
Wie war es, als dich meine Haut erfuhr,
das erste Hand in Hand – wie war das nur?

 

 

 

7

„Lieb mich, denn ich lieb dich!“ – Und du sag dann:
„Lieb mich, denn ich lieb dich!“ – und Hand in Hand
stehn wir beglückt und gleich im Blütenland
der Liebe, das kein Meer zertrennen kann.

Die Liebe baut auf Felsen, nicht auf Sand.
Die Liebe lacht, wenn sie die Sturmwut spürt:
Wer fand die Burg der Liebe unbemannt?
Und wer hat ihre Freiheit je umschnürt?

Mein Herz ist feig, das Wort nur unverzagt.
So selten sehn wir uns, und doch, wir scheiden
so oft. Dies Rätsel, wenn du kannst, erklär!

Noch find ich Trost in jenem Buch, das sagt:
Schafft Eifersucht auch wie das Grab uns Leiden,
mag stark der Tod sein – Liebe ist wie er.

 

 

 

8

"Und sterb ich auch" , sprach Esther ohne Bangen
und ging, für Leben, Tod sich schön zu machen
als Braut: Der Prunk des Dufthaars und ihr Lachen,
entflammend (um zu löschen) das Verlangen.

Die Robe Liebreiz nahm sie, ihn zu fangen
durch seine Augen, die ihn schlecht bewachen,
die Schönheit warf sie aus wie Schlingen... schwachen,
harmlosen Tauben gleich und klugen Schlangen.

Aus einem seidnen Haar den Fallstrick drehend,
hat sie den Mann durch raschen Geist betört
und gab dem Hause ihres Volks Bestand.

O nähm nur ich mein Glück so in die Hand,
für meine Lieb zur einen Liebe flehend –
und würd der Liebe willen ich erhört!

 

 

 

12

Wenn eine meinen Platz einnehmen kann,
dich froh zu machen, dessen Leid ich leide –
glaub nicht, daß ich dirs wehre oder neide:
ich selbst vertrau dich jener Hellern an,

dem schnellern Witz, dem lieberen Gesicht;
dein Reichtum, weißt du, wird auch mir zum Lohne,
die Braut zu krönen gibt mir selbst die Krone,
den Brauttanz zu bereiten macht mich licht.

Denn liebte ich dich nicht, es könnte sein,
daß ich der Hemmschuh deines Glückes wäre.
Doch schlägt mein Herz schon lang in deiner Brust:

Was du begehrst, ist mir Gesetz und Lust.
Frei bin ich, da ich deine Freiheit ehre,
und durch dein Zweisein bin ich nicht allein.

 

 

 

14

Die Jugend wich, die Schönheit – aber war
denn jemals Schönheit meinem Bild zueigen?
Die Jugend wich – wo kann sich Glück noch zeigen?
Nie binde ich mehr Rosen in mein Haar,

die Farbe meiner Wangen zu beschämen.
Der Jugend nur ziemt Rose und auch Dorn.
Nie will ich Blumen mehr zum Schmucke nehmen –
außer den schlichten, die da blühn im Korn.

Die Jugend wich, die Schönheit ist vergangen.
Was bleibt, ist Herzenssehnsucht, tief verborgen
ein stilles Herz voll Liebe und Verlangen,

die Stille eines Herzens, das einst Lieder
der schönen Jugend sang im Sommermorgen -
das Schweigen. Niemals singt die Liebe wieder.